Lieder ? index:
op.? Am Strande
op.?? Gedenken
op.??? Im Fliederbusch ein Vöglein saß
op.???? Mailied
op. 1.
no. 1. Dank
no. 2. Abschied
op. 2.
no. 1. Erwartung
no. 2. Schenk mir deinen goldenen Kamm
no. 3. Erhebung
no. 4. Waldsonne
op. 3.
no. 1. Wie Georg von Frundsberg von sich selber sang
no. 2. Die Aufgeregten
no. 3. Warnung
no. 4. Hochzeitslied
no. 5. Geübtes Herz
no. 6. Freihold
op. 4. Verklärte Nacht
op. 6.
no. 1. Traumleben
no. 2. Alles
no. 3. Mädchenlied
no. 4. Verlassen
no. 5. Ghasel
no. 6. Am Wegrand
no. 7. Lockung
no. 8. Der Wanderer
op. 12
no. 1. Jane Grey
no. 2. Der verlorene Haufen
op. 14.
no. 1. Ich darf nicht dankend
no. 2. In diesen Wintertagen
op. 15. Das Buch der hängenden Gärten (song cycle)
op. 48
no. 1. Sommermüd
no. 2. Tot
no. 3. Mädchenlied
aa) "Brettl-Lieder"
a) Galathea
b) Gigerlette
c) Der genügsame Liebhaber
d) Einfältiges Lied
e) Mahnung
f) Jedem das Seine
g) Arie aus dem Spiegel von Arcadien
bb) "Deutsche Volkslieder"
a) Der Mai tritt ein mit Freuden
b) Es gingen zwei Gespielen gut
c) Mein Herz ist mir gemenget
d) Mein Herz in steten Treuen
cc) "Gurrelieder"
I.
II.
III. Die wilde Jagd
IV. Des Sommerwindes wilde Jagd
dd) "7 frühe Lieder"
a) Mein Herz das ist ein tiefer Schacht
b) Mädchenlied
c) Mädchenfrühling
d) Waldesnacht
e) Nicht doch!
f) Mannesbangen
g) Deinem Blick mich zu bequemen
ee) "Pierrot Lunaire"
op.? "Am Strande"
Text by Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Music by Arnold Schoenberg, 1907-9
Vorüber die Flut.
Noch braust es fern.
Wild Wasser und oben
Stern an Stern.
Wer sah es wohl,
O selig Land,
Wie dich die Welle
Überwand.
Noch braust es fern.
Der Nachtwind bringt
Erinnerung und eine Welle
Verlief im Sand.
Op.?? "Gedenken"
Text by Anonymous
Music by Arnold Schoenberg, op. posth.
Es steht sein Bild noch immer da:
Auf seine Züge hingemalt
Manch Seufzer ward und manch Gebet.
Das Schicksal weigerte sein Ja.
Die Lampe brennt, ich bin allein.
Die Uhr nur hör' ich an der Wand.
Wie viel des Kummers kann gebannt
In eine kleine Stube sein!
Op.??? "Im Fliederbusch ein Vöglein saß"
Text by Robert Reinick (1805-1852)
Music by Arnold Schoenberg, "Im Fliederbusch ein Vöglein saß" (189-?)
See also:
Carl (Heinrich Carsten) Reinecke (1824-1910), "Zwiegesang", from Kinderlieder
Ludwig Spohr (1784-1859), "Zwiegesang", op. 103, from Sechs deutsche Lieder für eine
Singstimme, Klarinette und Klavier, no. 2
Im Fliederbusch ein Vöglein saß
In der stillen, schönen Maiennacht,
Darunter ein Mägdlein im hohen Gras
In der stillen, schönen Maiennacht.
Sang Mägdlein, hielt das Vöglein Ruh,
Sang Vöglein, hört das Mägdlein zu,
Und weithin klang der Zwiegesang
Das mondbeglänzte Tal entlang.
Was sang das Vöglein im Gezweig
Durch die stille, schöne Maiennacht?
Was sang doch wohl das Mägdlein gleich
Durch die stille, schöne Maiennacht?
Von Frühlingssonne das Vögelein,
Von Liebeswonne das Mägdelein;
Wie der Gesang zum Herzen drang,
Vergeß ich nimmer mein Lebelang.
Op.???? "Zwischen Waizen und Korn"
Text by Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Music by Arnold Schoenberg, "Mailied" (189-?)
See also:
Robert Franz (1815-1892), op. 33 no. 3, "Mailied", published 1864
Nikolai Karlovich Medtner (1880-1951), op. 6 no. 2, "Mailied" (singable in Russian and German)
Hugo Wolf (1860-1903), op. 13 no. 3, "Mailied" (1876)
Karl Friedrich Zelter (1758-1832), "Wo gehts Liebchen?" (1810)
Alexander Zemlinsky (1871-1942), op. 2, i, 5 "Mailied" (1894-6)
Zwischen Waizen und Korn,
Zwischen Hecken und Dorn,
Zwischen Bäumen und Gras,
Wo gehts Liebchen? Sag mir das.
Fand mein Holdchen nicht daheim.
Muß das Goldchen draußen sein.
Grünt und blühet schön der Mai,
Liebchen ziehet froh und frei.
An dem Felsen beim Fluß,
Wo sie reichte den Kuß,
Jenen erste[n] im Gras, seh ich etwas,
Ist sie das? [Das ist sie, das!]
Op.1 no.1 "Dank"
Text by Karl von Levetzow (1871-1945)
Music by Arnold Schoenberg, op.1 no.1
Großes hast du mir gegeben in jenen Hochstunden,
Die für uns bestehen im Zeitlosen.
Großes hast du mir gegeben: ich danke dir!
Schönheit schenkten wir uns im stets Wachsenden,
Was ich mir vorbehielt im Raumlosen.
Schönheit schenkten wir uns: ich danke dir!
Ungewollt schufst du mir noch das Gewaltigste,
Schufst mir das Niegeahnte: den schönen Schmerz!
Tief in die Seele bohrtest du mir
Ein finsteres Schwertweh.
Dumpf nächtig trennend
Und dennoch hell winterlich leuchtend.
Schön! dreifach schön! denn von dir kam es ja!
Ungewollt schufst du mir noch das Gewaltigste,
Schufst mir das Niegeahnte: ich danke dir!
Op.1 no.2 "Abschied"
Text by Karl von Levetzow (1871-1945)
Music by Arnold Schoenberg, op.1 no.2
Aus den Trümmern einer hohen Schönheit
Laß mich bauen einen tiefen Schmerz.
Weinen laß mich aus den tiefsten Schmerzen
Eine Träne, wie nur Männer weinen.
Und dann geh!
Und nimm noch ein Gedenken heißer Liebe,
Freudig dir geschenkt;
Ewig mein bleibt, was du mir gelassen;
Meiner Wehmut sternloses Dunkel.
Und dann geh!
Und laß mich stumm erstarren;
Du zieh fürder deine helle Bahn,
Stern der Sterne! frage nicht nach Leichen!
Sieh', mir naht der hehr'ste Göttertröster,
Meine selbstgebor'ne Urgewalt.
Tief in mir die alte Nacht der Nächte
Weitet sich zur großen Weltumnachtung.
Der Alleinheit schwere Trümmer,
Schmerzen wachsen, wachsen zur Unendlichkeit.
Sieh! Ich selber werde Nacht und Schönheit.
Allumfassend unbegrenztes Weh!
Ziehe weiter, heller Stern der Sterne.
Unerkannt, wie meine große Liebe;
Dunkel schweigend, wie die großen Schmerzen,
Wo du wendest, wo du siegend leuchtest,
Stets umwogt dich meine große Nacht!
Op.2 no.1 "Erwartung"
Text by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863-1920)
Music by Arnold Schoenberg, op.2 no.1 (1899)
Aus dem meergrünen Teiche
Neben der roten Villa
Unter der toten Eiche
Scheint der Mond.
Wo ihr dunkles Abbild
Durch das Wasser greift,
Steht ein Mann und streift
Einen Ring von seiner Hand.
Drei Opale blinken;
Durch die bleichen Steine
Schwimmen rot und grüne
Funken und versinken.
Und er küßt sie, und
Seine Augen leuchten
Wie der meergrüne Grund:
Ein Fenster tut sich auf.
Aus der roten Villa
Neben der toten Eiche
Winkt ihm eine bleiche
Frauenhand.
Op.2 no.2 "Schenk mir deinen goldenen Kamm"
Text by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863-1920)
Music by Arnold Schoenberg, op.2 no.2 (1899)
Schenk mir deinen goldenen Kamm;
Jeder Morgen soll dich mahnen,
Daß du mir die Haare küßtest.
Schenk mir deinen seidenen Schwamm;
Jeden Abend will ich ahnen,
Wem du dich im Bade rüstest,
O Maria!
Schenk mir Alles, was du hast;
Meine Seele ist nicht eitel,
Stolz empfang ich deinen Segen.
Schenk mir deine schwerste Last:
Willst du nicht auf meinen Scheitel
Auch dein Herz, dein Herz noch legen,
Magdalena?
Op.2 no.3 "Erhebung"
Text by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863-1920)
Music by Arnold Schoenberg, op.2 no. 3 (1899)
See also:
Erich J. Wolff (1874-1913), op. 8 no. 2, published 1907
Gib mir deine Hand,
Nur den Finger, dann
Seh ich diesen ganzen Erdkreis
Als mein Eigen an!
O, wie blüht mein Land,
Sieh dir's doch nur an!
Daß es mit uns über die Wolken
In die Sonne kann!
Op.2 no.4 "Waldsonne"
Text by Johannes Schlaf (1862-1941)
Music by Arnold Schoenberg, op.2 no. 4
In die braunen, rauschenden Nächte
Flittert ein Licht herein,
Grüngolden ein Schein.
Blumen blinken auf und Gräser
Und die singenden, springenden Waldwässerlein,
Und Erinnerungen.
Die längst verklungenen:
Golden erwachen sie wieder,
All deine fröhlichen Lieder.
Und ich sehe deine goldenen Haare glänzen,
Und ich sehe deine goldenen Augen glänzen
Aus den grünen, raunenden Nächten.
Und mir ist, ich läge neben dir auf dem Rasen
Und hörte dich wieder auf der glitzeblanken Syrinx
In die blauen Himmelslüfte blasen.
In die braunen, wühlenden Nächte
Flittert ein Licht,
Ein goldener Schein.
Op.3 no.1 "Wie Georg von Frundsberg von sich selber sang"
Text from Des Knaben Wunderhorn
Music by Arnold Schoenberg, op. 3 no. 1 (1899-1903)
Mein Fleiß und Müh hab ich nie gespart
Und allzeit gewahrt dem Herren mein;
Zum Besten sein schickt ich mich drein,
Gnad, Gunst verhofft, dochs Gemüt zu Hof
Verkehrt sich oft.
Wer sich zukauft, der lauft weit vor
Und kömmt empor, doch wer lang Zeit
Nach Ehren streit, muß dannen weit,
Das sehr mich kränkt, mein treuer Dienst
Bleibt unerkennt.
Kein Dank noch Lohn davon ich bring,
Man wiegt g'ring und hat mein gar
Vergessen zwar, groß Not, Gefahr
Ich bestanden han, was Freude soll
Ich haben dran?
Op.3 no.2 "Die Aufgeregten"
Text by Gottfried Keller (1819-1890)
Music by Arnold Schoenberg, op. 3 no. 2 (1899-1903)
Welche tiefbewegten Lebensläufchen,
Welche Leidenschaft, welch wilder Schmerz!
Eine Bachwelle und ein Sandhäufchen
Brachen gegenseitig sich das Herz!
Eine Biene summte hohl und stieß
Ihren Stachel in ein Rosendüftchen,
Und ein holder Schmetterling zerriß
Den azurnen Frack im Sturm der Mailüftchen!
Und die Blume schloß ihr Heiligtümchen
Sterbend über dem verspritzten Tau!
Welche tiefbewegten Lebensläufchen,
Welche Leidenschaft, welch wilder Schmerz!
Op.3 no.3 "Warnung"
Text by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863-1920)
Music by Arnold Schoenberg, op. 3 no. 3 (1899-1903)
Mein Hund, du, hat dich bloß beknurrt,
Und ich hab' ihn vergiftet;
Und ich hasse jeden Menschen,
Der Zwietracht stiftet.
Zwei blutrote Nelken schick' ich dir,
Mein Blut du, an der einen eine Knospe;
Den dreien sei gut,
Du, bis ich komme.
Ich komme heute Nacht noch,
Sei allein, du!
Gestern, als ich ankam,
Starrtest du mit jemand ins Abendrot hinein!
Du: Denk an meinen Hund!
Op.3 no.4 "Hochzeitslied"
Text by Jens Peter Jacobsen (1847-1885)
Music by Arnold Schoenberg, op. 3 no. 4 (1899-1903)
So voll und reich wand noch das Leben
Nimmer euch seinen Kranz,
Und auf den Trauben spielt in kühnem
Schimmer der Hoffnung Glanz.
Im Laube welch ein Glüh'n des farbigen Saftes,
Und wie die Töne klar zusammenfließen!
Ergreift das Alles, schafft es,
Erlebt es im Genießen!
Der Jugend Allmacht kocht in eures Blutes
Feuriger Kraft,
Nach Taten drängt, nach Schöpfung freien Mutes
Der frische Saft.
So spannt denn eurer Welt tollkühne Bogen,
Die schlanken Säulen hebt zum Himmelzelt;
Füllt mit des Herzens Flammenwogen
Die neue Welt!
Op.3 no.5 "Geübtes Herz"
Text by Gottfried Keller (1819-1890)
Music by Arnold Schoenberg, op. 3 no. 5 (1899-1903)
See also:
Felix Weingartner (1863-1942), op. 22 no. 1, published 1896
Weise nicht von dir mein schlichtes Herz,
Weil es schon so viel geliebet!
Einer Geige gleicht es, die geübet
Lang ein Meister unter Lust und Schmerz.
Und je länger er darauf gespielt,
Stieg ihr Wert zum höchsten Preise;
Denn sie tönt mit sichrer Kraft die Weise,
Die ein Kund'ger ihren Saiten stiehlt.
Also spielte manche Meisterin
In mein Herz die rechte Seele.
Nun ist's wert, daß man es dir empfehle,
Lasse nicht den köstlichen Gewinn!
Op.3 no.6 "Freihold"
Text by Hermann von Lingg (1820-1905)
Music by Arnold Schoenberg, op. 3 no. 6 (1899-1903)
Soviel Raben nachts auffliegen,
Soviel Feinde sind auf mich,
Soviel Herz an Herz sich schmiegen,
Soviel Herzen fliehen mich.
Ich steh allein, ja ganz allein,
Wie am Weg der dunkle Stein.
Doch der Stein, es gilt als Marke,
Wachend über Menschentun:
Daß dem Schwachen auch der Starke
Laß das Seine sicher ruh'n.
Wind und Regen trotzt der Stein,
Unzerstörbar und allein.
Wohl, so will auch ich vollenden,
Unrecht dämmen, bis es bricht.
Mag sein Gift der Neid verschwenden,
Mich erlegt er nicht;
Blitze, schreibet auf den Stein:
"Wer will frei sein, geh' allein!"
Op.4 "Verklärte Nacht"
Text by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863-1920)
Music by Arnold Schoenberg, op. 4
Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain;
Der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen
Kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
In das die schwarzen Zacken reichen.
Die Stimme eines Weibes spricht:
Ich trag ein Kind, und nit von Dir
ich geh in Sünde neben Dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen.
Ich glaubte nicht mehr an ein Glück
Und hatte doch ein schwer Verlangen
Nach Lebensinhalt, nach Mutterglück
Und Pflicht; da hab ich mich erfrecht,
Da liess ich schaudernd mein Geschlecht
Von einem fremden Mann umfangen,
Und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt:
Nun bin ich Dir, o Dir begegnet.
Sie geht mit ungelenkem Schritt.
Sie schaut empor, der Mond läuft mit.
Ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:
Das Kind, das Du empfangen hast,
sei Deiner Seele keine Last,
O sieh, wie klar das Weltall schimmert!
Es ist ein Glanz um Alles her,
Du treibst mit mir auf kaltem Meer,
Doch eine eigne Wärme flimmert
Von Dir in mich, von mir in Dich.
Die wird das fremde Kind verklären
Du wirst es mir, von mir gebären;
Du hast den Glanz in mich gebracht,
Du hast mich selbst zum Kind gemacht.
Er fasst sie um die starken Hüften.
Ihr Atem küsst sich in den Lüften.
Zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.
Op.6 no.1 "Traumleben"
Text by Julius Hart (1859-1930)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 1 (1903-5)
Um meinen Nacken schlingt sich
Ein blütenweißer Arm.
Es ruht auf meinem Munde
Ein Frühling jung und warm.
Ich wandle wie im Traume,
Als wär mein Aug' verhüllt.
Du hast mit deiner Liebe
All' meine Welt erfüllt.
Die Welt scheint ganz gestorben,
Wir beide nur allein,
Von Nachtigall'n umklungen,
Im blühenden Rosenhain.
Op.6 no.2 "Alles"
Text by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863-1920)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 2 (1903-5)
Laß uns noch die Nacht erwarten,
Bis wir alle Sterne sehn;
Falt die Hände; in den harten
Steigen durch den stillen Garten
Geht das Heimweh auf den Zehn.
Geht und holt die Anemone,
Die du einst ans Herzchen drücktest,
Geht umklungen von dem Tone
Einst des Baums, aus dessen Krone
Du dein erstes Fernweh pflücktest.
Und du schüttelst aus den Haaren,
Was dir an der Seele frißt,
Selig Kind mit dreißig Jahren,
Alles sollst du noch erfahren,
Alles, was dir heilsam ist.
Op.6 no.3 "Mädchenlied"
Text by Paul Remer (1867-1943)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 3 (1903-5)
Ach, wenn es nun die Mutter wüßt,
Wie du so wild mich hast geküßt,
Sie würde beten ohne Ende,
Daß Gott der Herr das Unglück wende.
Und wenn das mein Herr Bruder wüßt,
Wie du so wild mich hast geküßt,
Er eilte wohl mit Windesschnelle
Und schlüge dich tot auf der Stelle.
Doch wenn es meine Schwester wüßt,
Wie du so wild mich hast geküßt,
Auch ihr Herz würde in Sehnsucht schlagen
Und Glück und Sünde gerne tragen.
Op.6 no.4 "Verlassen"
Text by Hermann Conradi (1862-1890)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 4 (1903-5)
Im Morgengrauen schritt ich fort -
Nebel lag in den Gassen...
In Qualen war mir das Herz verdorrt -
Die Lippe sprach kein Abschiedswort -
Sie stöhnte nur leise: Verlassen!
Kennst du das Marterwort?
Das frißt wie verruchte Schande!
In Qualen war mir das Herz verdorrt -
Im Morgengrauen ging ich fort -
Hinaus in die dämmernden Lande!
Entgegen dem jungen Maientag:
Das war ein seltsam Passen!
Mählich wurde die Welt nun wach -
Was war mir der prangende Frühlingstag!
Ich stöhnte nur leise: Verlassen!
Op.6 no.5 "Ich halte dich in meinem Arm"
Text by Gottfried Keller (1819-1890)
Music by Arnold Schoenberg, "Ghasel", op. 6 no. 5 (1903-1905)
See also:
Othmar Schoeck (1886-1957), "Ich halte dich in meinem Arm", op. 38 no. 7 (1923), from Gaselen
Ich halte dich in meinem Arm,
Du hältst die Rose zart,
Und eine junge Biene tief
In sich die Rose hält.
So reihen wir uns perlenhaft
An einer Lebensschnur,
So freun wir uns, wie Blatt an Blatt
Sich an der Rose schart.
Und glüht mein Kuß auf deinem Mund,
So zuckt die Flammenspur
Bis in der Biene Herz,
Das sich dem Kelch der Rose paart.
Op.6 no.6 "Am Wegrand"
Text by John Henry Mackay (1864-1933)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 6 (1903-1905)
Tausend Menschen ziehen vorüber,
Den ich ersehne, er ist nicht dabei!
Ruhlos fliegen die Blicke hinüber,
Fragen den Eilenden, ob er es sei...
Aber sie fragen und fragen vergebens.
Keiner gibt Antwort: "Hier bin ich. Sei still."
Sehnsucht erfüllt die Bezirke des Lebens,
Welche Erfüllung nicht füllen will.
Und so steh ich am Wegrand-Strande,
Während die Menge vorüberfließt,
Bis erblindet vom Sonnenbrande
Mein ermüdetes Aug' sich schließt.
Op.6 no.7 "Lockung"
Text by Kurt Aram (Hans Fischer) (1869-1934)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 7 (1903-1905)
Komm, komm mit nur einen Schritt!
Hab schon gegessen,
Will dich nicht fressen,
Komm, komm mit nur einen Schritt!
Kaum zwei Zehen weit noch zu gehen
Bis zu dem Häuschen,
Komm, mein Mäuschen,
Ei sieh da, da sind wir ja!
Hier in dem Eckchen
(Pst) nur kein Schreckchen,
Wie glüh'n deine Bäckchen,
Jetzt hilft kein Schrein,
Mein bist du, mein!
Op.6 no.8 "Der Wanderer"
Text by Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900)
Music by Arnold Schoenberg, op. 6 no. 8 (1903-1905)
Es geht ein Wand'rer durch die Nacht
Mit gutem Schritt;
Und krummes Tal und lange Höhn -
Er nimmt sie mit.
Die Nacht ist schön -
Er schreitet zu und steht nicht still,
Weiß nicht, wohin sein Weg noch will.
Da singt ein Vogel durch die Nacht.
"Ach Vogel, was hast du gemacht!
Was hemmst du meinen Sinn und Fuß
Und gießest süßen Herz-Verdruß
In's Ohr mir, daß ich stehen muß
Und lauschen muß -
Was lockst du mich mit Ton und Gruß?"
Der gute Vogel schweigt und spricht:
"Nein, Wandrer, nein! Dich lock' ich nicht
Mit dem Getön.
Ein Weibchen lock' ich von den Höhn -
Was geht's dich an?
Allein ist mir die Nacht nicht schön -
Was geht's dich an? Denn du sollst gehn
Und nimmer, nimmer stille stehn!
Was stehst du noch?
Was tat mein Flötenlied dir an,
Du Wandersmann?"
Der gute Vogel schwieg und sann:
"Was tat mein Flötenlied ihm an?
Was steht er noch?
Der arme, arme Wandersmann!"
Op.12 no.1 "Jane Grey"
Text by Heinrich Ammann (1864-??)
Music by Arnold Schoenberg, op. 12 no. 1 (1907)
Sie führten ihn durch den grauen Hof,
Daß ihm sein Spruch gescheh';
Am Fenster stand sein junges Gemahl,
Die schöne Königin Grey.
Sie bog ihr Köpfchen zum Fenster heraus,
Ihr Haar erglänzte wie Schnee;
Er hob die Fessel klirrend auf
Und grüßte sein Weib Jane Grey.
Und als man den Toten vorüber trug,
Sie stand damit sie ihn seh';
Drauf ging sie freudig denselben Gang,
Die junge Königin Grey.
Der Henker, als ihm ihr Antlitz schien,
Er weinte laut auf vor Weh,
Dann eilte nach in die Ewigkeit
Dem Gatten Königin Grey.
Viel junge Damen starben schon
Vom Hochland bis zur See,
Doch keine war schöner und keuscher noch
Als Dudley's Weib Jane Grey.
Und wenn der Wind in den Blättern spielt
Und er spielt in Blumen und Klee,
Dann flüsterts noch oft vom frühen Tod
Der jungen Königin Grey.
Op.12 no.2 "Der verlorene Haufen"
Text by Viktor Klemperer (1881-1960)
Music by Arnold Schoenberg, op. 12 no. 2 (1907)
Trinkt aus, ihr zechtet zum letzenmal,
Nun gilt es Sturm zu laufen;
Wir stehn zuvorderst aus freier Wahl,
Wir sind der verlorne Haufen.
Wer länger nicht mehr wandern mag,
Wes Füße schwer geworden,
Wem zu grell das Licht, wem zu laut der Tag,
Der tritt in unsern Orden.
Trinkt aus, schon färbt sich der Osten fahl,
Gleich werden die Büchsen singen,
Und blinkt der erste Morgenstrahl,
So will ich mein Fähnlein schwingen.
Und wenn die Sonne im Mittag steht,
So wird die Bresche gelegt sein;
Und wenn die Sonne zur Rüste geht,
Wird die Mauer vom Boden gefegt sein.
Und wenn die Nacht sich niedersenkt,
Sie raffe den Schleier zusammen,
Daß sich kein Funke drin verfängt
Von den lodernden Siegesflammen!
Nun vollendet der Mond den stillen Lauf,
Wir sehn ihn nicht verbleichen.
Kühl zieht ein neuer Morgen herauf -
Dann sammeln sie unsere Leichen.
Op.14 no.1 "Ich darf nicht dankend"
Text by Stefan George (1868-1933)
Music by Arnold Schoenberg, op. 14 no. 1, "In diesen Wintertagen" (1907/8)
Ich darf nicht dankend an dir niedersinken.
Du bist vom geist der flur aus der wir stiegen:
Will sich mein trost an deine wehmut schmiegen,
So wird sie zucken um ihm abzuwinken.
Verharrst du bei dem quälenden beschlusse,
Nie deines leides nähe zu gestehen,
Und nur mit ihm und mir dich zu ergehen
Am eisigklaren tief-entschlafnen flusse?
Op.14 no.2 "In diesen Wintertagen, nun sich das Licht verhüllt"
Text by Karl Friedrich Henckell (1864-1929)
Music by Arnold Schoenberg, op. 14 no. 2, "In diesen Wintertagen" (1908)
See also:
Richard Strauss (1864-1949), op. 48 no. 4, "Winterweihe" (1900)
In dieser Wintertagen,
Nun sich das Licht verhüllt,
Laß uns im Herzen tragen,
Einander traulich sagen,
Was uns mit innerm Licht erfüllt.
Was milde Glut entzündet,
Soll brennen fort und fort,
Was Seelen zart verbündet,
Und Geisterbrücken gründet,
Sei unser leises Losungswort.
Das Rad der Zeit mag rollen,
Wir greifen kaum hinein,
Dem Schein der Welt verschollen,
Auf unserm Eiland wollen
Wir Tag und Nacht der sel'gen Liebe weih'n
Op.15 "Das Buch der hängenden Gärten"
Text by Stefan George (1868-1933)
Music by Arnold Schoenberg, op. 15 (1908-9)
a)
Unterm schutz von dichten blättergründen,
Wo von sternen feine flocken schneien,
Sachte stimmen ihre leiden künden,
Fabeltiere aus den braunen schlünden
Strahlen in die marmorbecken speien,
Draus die kleinen bäche klagend eilen:
Kamen kerzen das gesträuch entzünden,
Weisse formen das gewässer teilen.
b)
Hain in diesen paradiesen
Wechselt ab mit blütenwiesen,
Hallen, buntbemalten fliesen,
Schlanker störche schnäbel kräuseln
Teiche, die von fischen schillern,
Vögel-reihen matten scheines
Auf den schiefen firsten trillern
Und die goldnen binsen säuseln -
Doch mein traum verfolgt nur eines.
c)
Als neuling trat ich ein in dein gehege;
Kein staunen war vorher in meinen mienen,
Kein wunsch in mir, eh ich dich blickte, rege.
Der jungen hände faltung sieh mit huld,
Erwähle mich zu denen, die dir dienen
Und schone mit erbarmender geduld
Den, der noch strauchelt auf so fremdem stege.
d)
Da meine lippen reglos sind und brennen,
Beacht ich erst, wohin mein fuss geriet:
In andrer herren prächtiges gebiet.
Noch war vielleicht mir möglich, mich zu trennen;
Da schien es, daß durch hohe gitterstäbe
Der blick, vor dem ich ohne lass gekniet,
Mich fragend suchte oder zeichen gäbe.
e)
Saget mir, auf welchem pfade
Heute sie vorüberschreite -
Daß ich aus der reichsten lade
Zarte seidenweben hole,
Rose pflücke und viole,
Daß ich meine wange breite,
Schemel unter ihrer sohle.
f)
Jedem werke bin ich fürder tot.
Dich mir nahzurufen mit den sinnen,
Neue reden mit dir auszuspinnen,
Dienst und lohn, gewährung und verbot,
Von allen dingen ist nur dieses rot
Und weinen, daß die bilder immer fliehen,
Die in schöner finsternis gediehen -
Wann der kalte klare morgen droht.
g)
Angst und hoffen wechselnd mich beklemmen,
Meine worte sich in seufzer dehnen,
Mich bedrängt so ungestümes sehnen,
Daß ich mich an rast und schlaf nicht kehre,
Daß mein lager tränen schwemmen,
Daß ich jede freude von mir wehre,
Daß ich keines freundes trost begehre.
h)
Wenn ich heut nicht deinen leib berühre,
Wird der faden meiner seele reissen
Wie zu sehr gespannte sehne.
Liebe zeichen seien trauerflöre
Mir, der leidet, seit ich dir gehöre.
Richte, ob mir solche qual gebühre,
Kühlung sprenge mir, dem fieberheissen,
Der ich wankend draussen lehne.
i)
Streng ist uns das glück und spröde,
Was vermocht ein kurzer kuss?
Eines regentropfens guss
Auf gesengter bleicher öde,
Die ihn ungenossen schlingt,
Neue labung missen muss
Und vor neuen gluten springt.
j)
Das schöne beet betracht ich mir im harren,
Es ist umzäunt mit purpurn-schwarzem dorne,
Drin ragen kelche mit geflecktem sporne
Und sammtgefiederte, geneigte farren
Und flockenbüschel, wassergrün und rund
Und in der mitte glocken, weiss und mild -
Von einem odem ist ihr feuchter mund
Wie süsse frucht vom himmlischen gefild.
k)
Als wir hinter dem beblümten tore
Endlich nur das eigne hauchen spürten,
Warden uns erdachte seligkeiten?
Ich erinnere, daß wie schwache rohre
Beide stumm zu beben wir begannen
Wenn wir leis nur an uns rührten
Und daß unsre augen rannen -
So verbliebest du mir lang zu seiten.
l)
Wenn sich bei heilger ruh in tiefen matten
Um unsre schläfen unsre hände schmiegen,
Verehrung lindert unsrer glieder brand:
So denke nicht der ungestalten schatten,
Die an der wand sich auf und unter wiegen,
Der wächter nicht, die rasch uns scheiden dürfen
Und nicht, daß vor der stadt der weisse sand
Bereit ist, unser warmes blut zu schlürfen.
m)
Du lehnest wider eine silberweide
Am ufer, mit des fächers starren spitzen
Umschirmest du das haupt dir wie mit blitzen
Und rollst, als ob du spieltest dein geschmeide.
Ich bin im boot, das laubgewölbe wahren,
In das ich dich vergeblich lud zu steigen...
Die weiden seh ich, die sich tiefer neigen
Und blumen, die verstreut im wasser fahren.
n)
Sprich nicht immer
von dem laub,
Windes raub,
Vom zerschellen
reifer quitten,
Von den tritten
Der verrichter
spät im jahr.
Von dem zittern
Der libellen
in gewittern
Und der lichter,
deren flimmer
wandelbar.
o)
Wir bevölkerten die abend-düstern
Lauben, lichten tempel, pfad und beet
Freudig - sie mit lächeln, ich mit flüstern -
Nun ist wahr, daß sie für immer geht.
Hohe blumen blassen oder brechen,
Er erblasst und bricht der weiher glas
Und ich trete fehl im morschen gras,
Palmen mit den spitzen fingern stechen.
Mürber blätter zischendes gewühl
Jagen ruckweis unsichtbare hände
Draußen um des edens fahle wände.
Die nacht ist überwölkt und schwül.
Op.48 no.1 "Sommermüd"
Text by Jakob Haringer (1883-1948)
Music by Arnold Schoenberg, op. 48 no. 1 (1933)
Wenn du schon glaubst,
Es ist ewige Nacht,
Hat dir plötzlich ein Abend
Wieder Küsse und Sterne gebracht.
Wenn du dann denkst
Es ist alles, alles vorbei,
Wird auf einmal wieder Christnacht
Und lieblicher Mai.
Drum dank Gott und sei still,
Daß du noch lebst und küßt:
Gar mancher hat ohne Stern
Sterben gemüßt.
Op.48 no.2 "Tot"
Text by Jakob Haringer (1883-1948)
Music by Arnold Schoenberg, op. 48 no. 2 (1933)
Ist alles eins,
Was liegt daran!
Der hat sein Glück,
Der seinen Wahn.
Was liegt daran!
Ist alles eins,
Der fand sein Glück
Und ich fand keins.
Op.48 no.3 "Mädchenlied"
Text by Jakob Haringer (1883-1948)
Music by Arnold Schoenberg, op. 48 no. 3 (1933)
Es leuchtet so schön die Sonne
Und ich muß müd' ins Büro;
Und ich bin immer so traurig,
Ich war schon lange nimmer froh.
Ich weiß nicht, ich kann's nicht sagen,
Warum mir immer so schwer;
Die anderen Mädchen alle
Gehn lächelnd und glücklich einher.
Vielleicht spring ich doch noch ins Wasser!
Ach, mir ist alles egal!
Kam doch ein Mädchenhändler
Und es war doch Sommer einmal!
Ich möcht' ins Kloster und beten
Für andre, daß ihnen besser geht
Als meinem armen Herzen;
Dem hilft kein Stern, kein Gebet!